Die sozialpsychologische Ambivalenz der 30er Jahre gründete auf zwei Tendenzen, die oftmals als widersprüchliche, ja unvereinbare Erscheinungen angesehen wurden, die jedoch letztendlich kompensatorische und einander ergänzende Stimmungen widerspiegelten. Dies war zum einen die drakonische Repressionspolitik Stalins und der Sicherheitsorgane, die darin zum Ausdruck kam, daß während der ganzen 30er Jahre, besonders aber während der Schauprozesse 1936 - 1938 Hunderttausende unschuldig verfolgt, erschossen oder in lange Lagerhaft kamen. Dies betraf nicht nur die ehemalige politische Elite, sondern auch den "einfachen Mann". Das potentiell allen Sowjetbürgern drohende Schicksal, nachts von den Organen des NKVD verhaftet und zum Verhör abtransportiert zu werden, führte zu einer dumpfen Stimmung der Angst und Unsicherheit, was die eigene Lebengestaltung betraf.
Andererseits unterstützten und inszenierten Partei und Regierung eine vor allem öffentlich zur Schau gestellte Stimmung des Optimismus, der Fröhlichkeit und Zukunftsorientierung, die durch große Sport- und Feiertagsveranstaltung auf den Plätzen und Parkanlagen Moskaus und anderer Städte verbreitet wurde.
Stalin hatte 1936 diese Grundstimmung mit der Losung "Das Leben ist besser geworden, Genossen. Das Leben ist fröhlicher geworden. Und wenn man fröhlich lebt, geht die Arbeit voran" auf eine griffige Formel gebracht, die in der Folge durch alle Medien, Radio, Zeitungen und Plakate, intensiv und flächendeckend verbreitet werden sollte. Aber nicht nur mit medial verwertbaren Großveranstaltungen wurde der Eindruck sozialer Fröhlichkeit vermittelt; Moskau hatte sich in der ersten Hälfte der 30er Jahre architektonisch stark verändert: die erste Metro wurde eröffnet, repräsentative Hochhäuser im sogenannten "Zuckerbäckerstil" prägten jetzt das Bild des Stadtzentrums, alte Stadtviertel, die z.T. noch aus Holzhäusern bestanden hatten, verschwanden und machten breiten Straßentrassen Platz. Der Eindruck eines weltstädtisch-pathetischen Großmachtsanspruch verband sich mit der permanent in den Massenmedien verbreiteten Überzeugung, der erste sozialistische Staat der Erde zu sein und diesem Status nun auch neue, im Alltag sichtbare Formen verliehen zu haben. Daß diese gewaltige Umgestaltung auf ein totalitäres Konzept von Staat, politischer Ordnung und entmündigtem Individuum zurückging, wurde im Massenbewußtsein nicht weiter reflektiert; beeindruckend waren vor allem diejenigen Formen ideologischer Selbstpräsentation, die den Einzelnen unmittelbar betrafen, wozu nicht nur die Schaffung neuen Wohnraums, sondern auch neuangelegte Parks und Erholungsgebiete (z.B. der Gor'kij-Park) und, Ende der 30er Jahre, die "Allunionsausstellung der volkswirtschaftlichen Errungenschaften" der UdSSR zählten. In all diesen Faktoren manifestierte sich eine allumfassende Triumphalität, eine Mentalität des Sieges über die agrarische Rückständigkeit des alten Rußlands, seine fast anarchische Unorganisiertheit und Disziplinlosigkeit.
Der sowjetischen Gesellschaft wurde der nachhaltige und langfristig wirksame Eindruck vermittelt, daß nach Jahren der Revolution, Zerstörung und des Bürgerkriegs das sowjetische Rußland unter der Führung Stalins nun eine genuin neue Existenzgrundlage und damit auch Zukunftsperspektive erhalten hatte. "Erfolg" und "Sieg" waren daher die Schüsselwörter dieser Epoche, wobei man sich durch eine geschickte Rückvermittlung tatsächlicher Aufbauleistungen (Erster und Zweiter Fünfjahrplan, Stachanov-Bestarbeiterbewegung etc.) auf tatsächliche Erfolge berufen konnte. Diese, aus der behaupteten Faktizität der wirtschaftlichen Entwicklung ableitbaren "Triumpfe" führten nicht nur zu einem Überbietungssyndrom, jeden großen "Sieg" durch einen noch gewaltigeren Erfolg übertreffen zu wollen bzw. müssen, sondern besaßen stets auch eine "Alltags"-Komponente, imdem sie nachwiesen, daß sich auch das tatsächliche Leben des Einzelnen verbessert hatte. Die "Pravda" brachte es Mitte der 30er Jahre auf den Punkt: "Die für unsere Revolution charakteristische Besonderheit besteht darin, daß sie dem Volk nicht nur Freiheit, sondern auch materielle Güter und die Möglichkeit eines fruchtbaren kulturellen Lebens gegeben hat" (Stalin). Die Abschaffung der Lebensmittelkarten und eine verbesserte Versorgungslage taten ihr übriges, obwohl die Realeinkommen der Arbeiter sanken und die Aufbauleistungen durch strikten Konsumverzicht erkauft werden mußten. In der öffentlichen Meinung spielte dies jedoch nahezu keine Rolle; es verfestigte sich in einen ganzen Generation die Haltung, die 30er Jahre mit ihrem gesamtwirtschaftlichen Fortschritt und sozialpolitischen Konzessionen (Freizeit, Urlaub und Erholung) seien in der Tat einer stabilen Staatspolitik und persönlichen Verdiensten Stalins zuzuschreiben.
Daß dieses Phänomen weitgehend auf ein raffiniertes Medienkonzept der Selbstdarstellung und -inszenierung zurückging, mußte für die sowjetische Bevölkerung lange Zeit verborgen bleiben.
Andererseits unterstützten und inszenierten Partei und Regierung eine vor allem öffentlich zur Schau gestellte Stimmung des Optimismus, der Fröhlichkeit und Zukunftsorientierung, die durch große Sport- und Feiertagsveranstaltung auf den Plätzen und Parkanlagen Moskaus und anderer Städte verbreitet wurde.
Stalin hatte 1936 diese Grundstimmung mit der Losung "Das Leben ist besser geworden, Genossen. Das Leben ist fröhlicher geworden. Und wenn man fröhlich lebt, geht die Arbeit voran" auf eine griffige Formel gebracht, die in der Folge durch alle Medien, Radio, Zeitungen und Plakate, intensiv und flächendeckend verbreitet werden sollte. Aber nicht nur mit medial verwertbaren Großveranstaltungen wurde der Eindruck sozialer Fröhlichkeit vermittelt; Moskau hatte sich in der ersten Hälfte der 30er Jahre architektonisch stark verändert: die erste Metro wurde eröffnet, repräsentative Hochhäuser im sogenannten "Zuckerbäckerstil" prägten jetzt das Bild des Stadtzentrums, alte Stadtviertel, die z.T. noch aus Holzhäusern bestanden hatten, verschwanden und machten breiten Straßentrassen Platz. Der Eindruck eines weltstädtisch-pathetischen Großmachtsanspruch verband sich mit der permanent in den Massenmedien verbreiteten Überzeugung, der erste sozialistische Staat der Erde zu sein und diesem Status nun auch neue, im Alltag sichtbare Formen verliehen zu haben. Daß diese gewaltige Umgestaltung auf ein totalitäres Konzept von Staat, politischer Ordnung und entmündigtem Individuum zurückging, wurde im Massenbewußtsein nicht weiter reflektiert; beeindruckend waren vor allem diejenigen Formen ideologischer Selbstpräsentation, die den Einzelnen unmittelbar betrafen, wozu nicht nur die Schaffung neuen Wohnraums, sondern auch neuangelegte Parks und Erholungsgebiete (z.B. der Gor'kij-Park) und, Ende der 30er Jahre, die "Allunionsausstellung der volkswirtschaftlichen Errungenschaften" der UdSSR zählten. In all diesen Faktoren manifestierte sich eine allumfassende Triumphalität, eine Mentalität des Sieges über die agrarische Rückständigkeit des alten Rußlands, seine fast anarchische Unorganisiertheit und Disziplinlosigkeit.
Der sowjetischen Gesellschaft wurde der nachhaltige und langfristig wirksame Eindruck vermittelt, daß nach Jahren der Revolution, Zerstörung und des Bürgerkriegs das sowjetische Rußland unter der Führung Stalins nun eine genuin neue Existenzgrundlage und damit auch Zukunftsperspektive erhalten hatte. "Erfolg" und "Sieg" waren daher die Schüsselwörter dieser Epoche, wobei man sich durch eine geschickte Rückvermittlung tatsächlicher Aufbauleistungen (Erster und Zweiter Fünfjahrplan, Stachanov-Bestarbeiterbewegung etc.) auf tatsächliche Erfolge berufen konnte. Diese, aus der behaupteten Faktizität der wirtschaftlichen Entwicklung ableitbaren "Triumpfe" führten nicht nur zu einem Überbietungssyndrom, jeden großen "Sieg" durch einen noch gewaltigeren Erfolg übertreffen zu wollen bzw. müssen, sondern besaßen stets auch eine "Alltags"-Komponente, imdem sie nachwiesen, daß sich auch das tatsächliche Leben des Einzelnen verbessert hatte. Die "Pravda" brachte es Mitte der 30er Jahre auf den Punkt: "Die für unsere Revolution charakteristische Besonderheit besteht darin, daß sie dem Volk nicht nur Freiheit, sondern auch materielle Güter und die Möglichkeit eines fruchtbaren kulturellen Lebens gegeben hat" (Stalin). Die Abschaffung der Lebensmittelkarten und eine verbesserte Versorgungslage taten ihr übriges, obwohl die Realeinkommen der Arbeiter sanken und die Aufbauleistungen durch strikten Konsumverzicht erkauft werden mußten. In der öffentlichen Meinung spielte dies jedoch nahezu keine Rolle; es verfestigte sich in einen ganzen Generation die Haltung, die 30er Jahre mit ihrem gesamtwirtschaftlichen Fortschritt und sozialpolitischen Konzessionen (Freizeit, Urlaub und Erholung) seien in der Tat einer stabilen Staatspolitik und persönlichen Verdiensten Stalins zuzuschreiben.
Daß dieses Phänomen weitgehend auf ein raffiniertes Medienkonzept der Selbstdarstellung und -inszenierung zurückging, mußte für die sowjetische Bevölkerung lange Zeit verborgen bleiben.